Die Journalistin Marion Gräfin Dönhoff hat sich trotz des Verlusts ihrer ostpreußischen Heimat für eine Versöhnung mit dem Osten, insbesondere für eine Freundschaft mit Polen, eingesetzt.
Marion Gräfin Dönhoff wächst auf dem Familiensitz Schloß Friedrichstein auf. Nach dem Abitur in Potsdam studiert sie Volkswirtschaft in Frankfurt/Main. Wegen ihrer Zusammenarbeit mit sozialistischen Kommilitonen bei anti-nazistischen Protestaktionen wird sie "die rote Gräfin" genannt. 1933 geht sie in die Schweiz, wo sie ihr Studium 1935 mit einer Promotion summa cum laude abchließt. Bis 1939 bewirtschaftet sie den Familienbesitz
Quittainen/ Kwitajny im damaligen Preußisch Holland, der etwa 140 km südlich von Königsberg liegt, und nach Kriegsbeginn auch das Gut Friedrichstein. Während Dönhoff, die sich Zeit ihres Lebens als Preußin bezeichnet, nach außen das arbeitsreiche und unauffällige Leben einer Gutsverwalterin führt, wird sie für den Widerstand tätig,
der sich in ihrem Freundeskreis zu formieren beginnt. Daß sie nicht für eine Position im zukünftigen Staat vorgesehen ist, wird ihr nach dem 20. Juli 1944 das Leben retten. Im Januar 1945 scheitert ihr Plan, den Treck ihrer Gutsleute auf der Flucht nach Westen zu begleiten. Sie selbst erreicht auf
ihrem Pferd Alarich nach sieben Wochen Westfalen. Die Tatsache, daß sie unter Verlust des gesamten Besitzes in jene Gegend zurückgekehrt, aus der ihre Vorfahren einst Richtung Osten aufgebrochen waren, kommentiert sie lakonisch: "Sieben Jahrhunderte ausgelöscht". 1946 wird Dönhoff Redakteurin der neu gegründeten Wochenzeitung DIE ZEIT, 1950 dort Ressortleiterin für Politik, 1968 Chefredakteurin und 1973 Herausgeberin. Mit der Zeitung, die ihr zu einer Art geistiger Heimat wird, bleibt sie bis zu ihrem Lebensende eng verbunden. Der Verlust der ostpreußischen Heimat wird für Dönhoff zu einem schwierigen Lernprozeß. Sie stimmt zwar dem Gewaltverzicht zu, den die Vertriebenenverbände 1950 erklärt haben, glaubt jedoch, daß die Grenze zwischen Polen und Deutschland verhandelbar sei, ja sogar neu vereinbart werden muß und nicht "von dritten Mächten festgelegt und erzwungen" werden darf. Es fällt ihr schwer zu akzeptieren, daß die Gebiete östlich der Oder und Neiße für Deutschland verloren sind, denn
"niemand, der aus dem Osten kommt, wird auf Land verzichten", wie sie 1964 in einem ZEIT-Artikel schreibt. Dennoch setzt sie sich für eine Verständigung mit dem Osten ein. Man müsse, schreibt sie 1963, "im Rahmen der allgemeinen Koexistenz eine aktive Ost-Politik betreiben." Sie wird zu einer der schärfsten Kritikerinnen Konrad Adenauers
und unterstützt die Entspannungspolitik Willy Brandts, nachdem dieser 1969 Bundeskanzler geworden ist. Als dieser sie 1970 einlädt, ihn zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages zu begleiten, sagt sie jedoch ab. Auch in den achtziger Jahren bereist sie häufig Polen. Obwohl sie insgesamt die Freiheitsbewegung unterstützt, kritisieren viele polnische Oppositionelle, daß sie in ihren Reportagen nicht gegen die Verhängung des Kriegsrechts und den Verbot der Gewerkschaft Solidarnosc protestiert, Lech Walesa wenig schätzt, dafür General Jaruzelski häufig besucht. 1988 gründet sie die Marion-Dönhoff-Stiftung, die seitdem osteuropäischen Wissenschaftlern einen Aufenthalt in Deutschland finanziert. 1991 wird ihr die Ehrendoktorwürde der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn verliehen. Sie bleibt bis zu ihrem Tod eine gesellschaftlich engagierte Journalistin, die mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet wird.