Andrzej Szczypiorski nimmt als junger Mann am Warschauer Aufstand teil und wird inhaftiert. Nach dem Krieg wird er Diplomat und ist als Literat und Publizist tätig. 1981 wird er inhaftiert und schließt sich später der Solidarnosc an. In Deutschland ist er durch seinen Roman „Die schöne Frau Seidenmann“ bekannt geworden.
Geboren 1924 in Warschau, beteiligt sich Szczypiorski im Alter von zwanzig Jahren am Warschauer Aufstand und wird von Herbst 1944 bis April 1945 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Nach dem Ende des Krieges betätigt er sich als "Regime-Feuilletonist", wie er es selbst später bezeichnet, und arbeitet für den Rundfunk. Von 1956 bis 1958 ist er im diplomatischen Dienst in der Danach arbeitet er als Literat und
Publizist. Die Studentenunruhen von 1968 und die antisemitische Hetzkampagne, mit der die letzten Juden aus dem Land vertrieben werden, veranlassen Szczypiorski, sich vom kommunistischen Regime zu distanzieren. 1971 veröffentlicht er den historischen Roman „Eine Messe für die Stadt Arras“, in dem er die Mechanismen der rassischen und religiösen
Intoleranz aufzeigt. Für die eindeutige Parabel auf den Stalinismus wird der Autor 1972 mit der Aufnahme in den polnischen PEN-Club geehrt. Sechs Jahre später schreibt er in einem Vorwort über die Ermordung der polnischen Offiziere in Katyn durch den sowjetischen Geheimdienst, woraufhin er mit einem Publikationsverbot belegt wird. Szczypiorski publiziert fortan in Emigrationsverlagen und im Untergrund. Mit der Verhängung des Kriegsrechtes zum Ende des Jahres 1981 wird er im Lager Jaworze inhaftiert. Nach seiner Freilassung schließt er sich enger an die oppositionelle Gewerkschaft Solidarnosc an und zieht bei den ersten nahezu freien Wahlen im August 1989 ins polnische Parlament ein. Enttäuscht über das Intrigenspiel .zieht er sich jedoch 1991 aus der Politik zurück. In Deutschland ist der Schriftsteller Andrzej Szczypiorski in erster Linie durch seinen Roman „Die schöne Frau Seidenmann“ bekannt geworden, der 1986 in Polen erscheint und zwei Jahre später auf
deutsch veröffentlicht wird. In dem knapp gehaltenen Roman, der im Jahr 1943 spielt und sowohl zurück in die Vergangenheit als auch voraus in das Jahr 1968 greift, beschäftigt sich der Autor mit der Perspektive von Opfern und Tätern, die er in verschiedenen Porträts darstellt und dabei die übliche schwarz-weiß Perspektive von Gut und Böse aufhebt.
Mit dieser Art der Darstellung, die fern von deutschen Feindbildern in Polen steht und die Polen an ihre eigene Schuld erinnert, findet Szczypiorski in Deutschland große Zustimmung. Während die deutschen Zeitungen voll des Lobes sind, findet der Autor bei seinen Landsleuten mit diesem Roman nur wenig Anerkennung - für einige Nationalisten gilt er seither gar als Verräter. Dennoch stellt Andrzej Szczypiorski spätestens seit seinen politischen Aktivitäten zum Ende der achtziger Jahre eine politisch-moralische Instanz seines Landes dar, das er in gelegentlichen Provokationen und in Interviews ausgeteilte Hieben an seine Schwächen und Fehler erinnert, ebenso jedoch gegen äußere Angriffe verteidigt. Für sein literarisches Werk und sein politischen Engagement ist Andrzej Szczypiorski mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet worden. Dazu gehört der Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund, das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen und Verleihung des Ordens "Polonia Restituta" von der Republik Polen. Am 16. Mai 2000 ist der Autor im Alter von 72 Jahren verstorben