Gegen den Widerstand seiner politischen Gegner setzte Brandt eine Versöhnung mit dem Osten durch. Symbolische Bedeutung hatte sein Kniefall vor dem Mahnmal des Ghettoaufstandes anläßlich der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages.
Brandt engagiert sich früh in der sozialistischen Jugendbewegung, wird mit 16 Jahren SPD-Mitglied und tritt 1931 noch als Schüler zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) über. Im Januar 1933 beteiligt er sich an den illegalen Aktivitäten seiner Partei und flüchtet vor der Verhaftung nach Norwegen, wo er 1940 kurzzeitig in deutsche Kriegsgefangenschaft gerät und dann nach Schweden flieht. Er nennt sich nun Willy Brandt und ist im Untergrund
aktiv. Nach dem Krieg geht Brandt, inzwischen SPD-Mitglied, nach Berlin und erhält seine deutsche Staatsbürgerschaft zurück, die ihm 1938 aberkannt worden war. Die scheinbar glänzende politische Karriere ist von Beginn an von Verleumdungen auch aus den eigenen Reihen begleitet. Brandt wird vorgeworfen, als Emigrant die "Schicksalsgemeinschaft" der
Deutschen während des Dritten Reiches im Stich gelassen zu haben, seine Widerstandstätigkeit wird in Landesverrat umgedeutet und vermutet, "Brandt alias Frahm" sei "kommunistischer Agent". Einen ersten Höhepunkt erreichen die Diffamierungen im Wahlkampf 1961, in dem Brandt als Kanzlerkandidat der SPD gegen Konrad Adenauer unterliegt, um sich 1965
(gegen Ludwig Erhard) noch zu steigern. Brandt, der sich als Regierender Bürgermeister im Umgang mit der Berlin-Krise, die 1961 zum Mauerbau führt, im westlichen Ausland einen guten Ruf erworben hat, außerdem durch den Berlin-Besuch John F. Kennedys populär geworden ist, wird 1966 in der Großen Koalition Außenminister (bis 1969). Er kann nun die unter den Titeln "Politik der kleinen Schritte" und "Wandel durch Annäherung" formulierten Leitgedanken seiner "Neuen Ostpolitik" erproben.
1969 wird Brandt Kanzler der aus einer knappen Mehrheit gebildeten sozial-liberalen Koalition und tritt die Regierung mit einem gigantischen inneren Reformprogramm an, doch bleibt seine eigentliche Domäne die Außenpolitik. Die Ostverträge, besonders die mit Polen geplanteVereinbarung, werden zum Gegenstand nicht nur im Bundestag heftig geführter Kontroversen. Im Dezember 1970 reist Brandt nach Warschau, um den Warschauer Vertrag zu unterzeichnen. Sein
Kniefall am Denkmal für die Opfer des Ghettoaufstandes von 1943 führt in der
BRD zu neuen Diskussionen, während das Ereignis in Polen zunächst keine größere Beachtung findet, weil die Geste nicht in das offizielle Bild
einer "revanchistischen BRD" passt. Für seine Entspannungs- und Ostpolitik wird Brandt 1971 mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Kritik seiner politischen Gegner hält an. 1972 scheitert ein Mißtrauensvotum der CDU/CSU, Brandt wird bei den Bundestagswahlen im selben Jahr als
Kanzler bestätigt, doch tritt er 1974 nach der Agentenaffäre um den DDR-Spion Günter Guillaume zurück. Brandt bleibt Vorsitzender der SPD, seine Rolle in der bundesdeutschen Politik ist beendet.