Dann kam Karfreitag. Der Widerstand der Aufständischen dauerte schon fünf Tage. Die Brände fraßen sich immer tiefer in das Ghetto ein. In das Feuer und den Rauch klatschten ununterbrochen die Schüsse. Ständig hörte man das trockene Klacken der Maschinenpistolen und Maschinengewehre. Jetzt begannen auch Razzien nach den Juden in der Stadt. Vereinzelten Juden war es nämlich gelungen, zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Stellen aus, den Mauern zu entfliehen. Verstärkte deutsche Gendarmeriepatrouillen zusammen mit der "Blauen" polnischen und der Ukrainischen Miliz spürten den Flüchtigen auf allen Straßen nach. Bei den Ausgängen der unterirdischen Kanäle wurden ebenfalls Wachtposten aufgestellt, weil die Juden in den meisten Fällen auf diesem Weg in die Freiheit zu gelangen versuchten. Sie wurden auf der Stelle umgebracht. Während des ganzen Tages verbreitete sich in den Warschauer Vierteln von Zeit zu Zeit der dröhnende Widerhall kurzer Feuergefechte. Es pflegte dann auf den Straßen ein Tumult auszubrechen. Die Fußgänger verbargen sich in den Hausgängen. Es kam vor, daß über einen verlassenen Platz oder eine plötzlich von Menschen entblößte Straße ein gebückter, einsamer Mann lief. Bald erreichten ihn die Salven der Gewehre. Er fiel aufs Trottoir. Dann kam die Gendarmerie auf Fahrrädern zu dem Liegenden, und die Ukrainische Miliz in grüner Uniform lief herbei. Wer noch lebte, wurde zur Strecke gebracht. Danach belebte der übliche Verkehr die Straße. Vor den Kirchen drängten sich Menschenmassen. Man eilte zu den Karfreitagsgräbern. Es war der schönste Frühling der Welt. JERZY ANDRZEJEWSKI, "Warschauer Karwoche"