Aufgrund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit geraten zehntausende Menschen in polnische Lagerhaft.
In Oberschlesien entstehen im Sommer 1945 sieben Lager, von denen die Arbeitslager Lamsdorf und Schwintochlowitz die berüchtigtsten sind. Gewaltexzesse der polnischen Wachmannschaften gehören zum Alltag. Systematische Vernichtung, wie in den deutschen KZs, gibt es hier nicht - aber unkontrollierte Rache. Tausende internierte Deutsche kommen ums Leben. Im Januar 1945 werden die Gefangenenlager dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit Polens zugeordnet, kontrolliert von Anfang an durch die Partei der polnischen Kommunisten PRP. Die Lager und Gefängnisse stammen aus der Vorkriegszeit oder werden von den Nationalsozialisten übernommen. Sie haben verschiedene Funktionen zu
erfüllen: Sie dienen als Internierungslager für Verurteilte, als Sammellager für zur Vertreibung bestimmter Deutscher, vor allem aber sind sie ein Ort für systematisch repressive Zwangsarbeit. 88 Gefängnisse und 14 Arbeitslager stehen im Frühjahr 1945 unter der Aufsicht des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit. In den Lagern setzt das nun polnische
Personal oft die Terrormethoden der Nationalsozialisten fort. Folter und wahlloses Töten gehören zum Alltag in den Lagern. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal. Es kommt zu Epidemien und massenhaften Sterben. Zwar verbieten offizielle Weisungen der Behörden den zügellosen Terror, doch dem Sadismus der Wärter und Lagerfunktionären ist
kaum Einhalt zu gebieten. Wladyslaw Gomulka, der Erste Sekretär der PRP selbst, versucht in einem Brief an das Ministerium für Öffentliche Sicherheit , dem um sich greifenden Sadismus Einhalt zu gebieten. Er bezichtigt seine Genossen, sich „Gestapo“-Methoden zu bedienen. Im Lager „Zgoda“ in Swietochlowice bei Katowice kommt Lagerleiter Salomon Morel zu trauriger Berühmtheit. Der damals 26-jähriger Pole jüdischer Abstammung macht sich einen Namen als gnadenloser Schläger und Folterer. Unverhohlen gibt er zu, „Rache für Auschwitz“ zu nehmen, nun an möglichst vielen Deutschen. Das seine Lagerinsassen in der übergroßen Mehrheit unschuldig sind, stört in dabei offenbar nicht. Die Bilanz seiner Tätigkeit ist verheerend: Von 5107 Personen, die ins Lager überstellt werden, sterben 1855, also über ein Drittel. Die häufigste Todesursache in den Lagern sind Typhusepidemien. Hunger, Schmutz und fehlende ärztliche Versorgung setzen die ohnehin geschwächten Lagerhäftlinge
den grassierenden Krankheiten schutzlos aus. Der Unterdrückungsapparat ist in verschiedenen Regionen vollkommen korrumpiert. Oft werden Deutsche interniert, um den beschlagnahmten Besitz unter den Lagerfunktionären aufzuteilen. Nicht selten kommt es zum Entleih von Zwangsarbeitern, um private Einkommen aufzubessern. Trotz allem sind die
Deutschen nur ein Teil der hunderttausenden Internierten und Gefangenen im Nachkriegspolen. Terror und Inhaftierung wird als stabilisierendes Mittel der neuen Staatsmacht universell eingesetzt, als eine Vorgehensweise gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen, die als Feinde gelten. Auch tausende ehemalige Angehörige der polnischen Heimatarmee, die für die Exilregierung in London gegen Hitler kämpften, tausende Angehörige der ukrainische Minderheit und politische Gegner der Kommunisten saßen gemeinsam mit den Deutschen in Lagern und Gefängnissen.