Übersicht über die Ereignisse von 1945-2004

1967
Der israelisch-arabische Sechs-Tage-Krieg im Juni ist für die Warschauer-Pakt-Staaten Anlaß, sich scharf gegen Israel zu wenden. Der polnische Innenminister Mieczyslaw Moczar (1913–1986) nutzt die Gelegenheit zu einer antisemitischen, als "antizionistisch" bezeichneten Kampagne der Partei gegen die in Polen lebenden rund 30 000 Juden, und da vor allem gegen Intellektuelle, Partei- und Armeemitglieder. Er löst damit pogromartige Auschreitungen aus. Über 20 000 polnische Juden verlassen das Land.
1968
Die in der Tschechoslowakei mit dem Reformkommunist Alexander Dubcek einsetzende Entspannung ("Prager Frühling") wirkt sich auch in Polen als Forderung nach mehr Freiheiten aus. Im März wird eine Studentendemonstration in Warschau von den Sicherheitsorganen niedergeschlagen. Unter den mehr als 700 prominenten Opfern der anschließenden Säuberungen in Politik, Armee, Hochschulwesen und Kultur sind auch der Staatsratsvorsitzende Edward Ochab (1906–1989) und Außenminister Adam Rapacki (1909–1970), die das antisemtische Keseltreiben der Partei kritisiert hatten. Eine Intervention der UdSSR wird verhindert.
20.8.1968
In den späten Abendstunden des 20. August überschreiten Truppeneinheiten der fünf Warschauer-Pakt-Staaten Sowjetunion, DDR, Polen, Bulgarien und Ungarn die Grenzen der verbündeten Tschechoslowakei. Die Intervention wird als Beantwortung eines Hilferufs der tschechoslowakischen Regierung dargestellt, tatsächlich aber die Staatsführung abgesetzt und verhaftet. Der "Prager Frühling" ist beendet.
1968
In Warschau wird die weitere Aufführung von Adam Mickiewicz' Nationaldrama "Die Totenfeier" durch die Zensur verboten. In der Folge kommt es zu Studentenunruhen, die mit Repressalien beantwortet werden. Die Parteiführung startet erneut eine "antizionistische" Kampagne gegen polnische Intellektuelle.

Willy Brandt wird Kanzler

28.9.1969
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Willy Brandt wird Kanzler 1969
Die Bundestagswahlen am 21. Oktober führen in der Bundesrepublik zu einer Ablösung der CDU. Willy Brandt (SPD) wird Kanzler. Er wird während seiner Regierungszeit sein Konzept der "neuen Ostpolitik" durchsetzen und gegen den Widerstand der Opposition die "Ostverträge" mit der Sowjetunion, Polen, CSSR und der DDR abschließen.

Die neue Ostpolitik

1969
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Die neue Ostpolitik 1969
Mit Gewaltverzichtserklärungen gegenüber Moskau und Warschau und der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens akzeptiert die Bundesrepublik erstmals offiziell die Nachkriegsrealitäten.
12.8.1970
Am 12. August unterzeichnen die UdSSR und die BRD den "Moskauer Vertrag", der "zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der Welt" beitragen und eine "Verbesserung und Erweiterung der Zusammenarbeit" herbeiführen soll. In Artikel 3 erklären beide Vertragspartner, "daß sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand haben und solche in Zukunft auch nicht erheben werden" und daß sie "heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich [betrachten], wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen, einschließlich der Oder-Neiße-Linie, die die Westgrenze der Volksrepublik Polen bildet, und der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik."

Der Kniefall von Warschau

7.12.1970
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Der Kniefall von Warschau 1970
Willy Brandts historische Geste - damals umstritten, heute eine Ikone: ein Schritt zur Überwindung des Kalten Krieges.
7.12.1970
Im Warschauer Vertrag vom 7. Dezember stellen die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen übereinstimmend fest, daß die bestehende Grenzlinie, deren Verlauf in den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz festgelegt worden sei, "die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen bildet". Sie erklären, "daß sie gegeneinander keine Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden".
1970
Mitte Dezember führen die erneuten Normen- und Preiserhöhungen zu Protesten der Bevölkerung und zu einem Streik der Danziger Werftarbeiter, der sich auf andere Städte ausdehnte. In Danzig kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und den gegen sie eingesetzten Armee- und Milizeinheiten. Die "Dezember-Ereignisse" fordern mindestens 45 Menschenleben und 1165 Verletzte.
20.12.1970
Am 20. Dezember 1970 werden Wladislaw Gomulka und seine engsten Gefolgsleute aus dem Politbüro abgewählt und ihrer Regierungsämter enthoben. Zum neuen Parteivorsitzenden wird der populäre Kattowitzer Parteisekretär Edward Gierek (1913–2001) gewählt, der mit einer Reihe von Zugeständnissen die explosive innenpolitische Lage entspannt und zugleich die Unterstützung des sowjetischen KP-Generalsekretärs Leonid Breschnew (1906–1982) hat.
1.1.1972
Am 1. Januar öffnen die DDR, Polen und die CSSR ihre gegenseitigen Grenzen und gewähren ihren Bürgern innerhalb der drei Staaten uneingeschränkte Reisefreiheit. In der Folge investieren die drei Regierungen auch in die Infrastruktur (Straße und Schiene), es entsteht in der so geschaffenen gemeinsamen Region ein reger Austausch, der sich trotz der nach wenigen Monaten wieder eingeschränkten Reisefreiheiten weiterentwickelt.

Aktion Sühnezeichen

1972
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Aktion Sühnezeichen 1972
In den 60er Jahren reisen Jugendgruppen aus beiden deutschen Staaten zu den Orten des Naziterrors in Polen. Mit der Aktion Sühnezeichen entstehen vielfältige kulturelle Kontakte, die bis heute für den deutsch-polnischen Dialog von enormer Bedeutung sind.
1972
Auf Initiative der Deutschen und der Polnischen UNESCO-Kommission wird die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission gegründet, deren Aufgabe die Revision der Schulbücher und der Verständigung über die Art der gegenseitigen Darstellung im Geschichts- und Geographieunterricht ist. Deutsche und Polen verfügen somit trotz des Kalten Krieges über ein gemeinsames geistiges Forum, wo sie sich über so wichtige nationale Angelegenheiten, wie es die Inhalte von Schulbüchern sind, verständigen können.
10.5.1972
Auf Drängen der CDU/CSU-Fraktion erklärt der Deutsche Bundestag am 10. Mai anläßlich der Ratifizierung des Warschauer Vertrages von 1970, daß dieser keine Vorwegnahme einer friedensvertraglichen Regelung und kein polnischer Rechtsanspruch aus der bestehenden Grenze abzuleiten sei. Vereinbarung über die Errichtung einer polnischen Botschaft in Bonn und einer bundesdeutschen Botschaft in Warschau.
1972
Die Bistümer in den Oder-Neiße-Gebieten werden vom Vatikan unter Berücksichtigung der nach dem Krieg vollzogenen Grenzziehung umstrukturiert.
21.12.1972
Am 21. Dezember unterzeichnen BRD und DDR den "Grundlagenvertrag", in dem beide Länder vereinbaren, "normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung" zu entwickeln. Damit wird die DDR von der BRD staatsrechtlich anerkannt.
1973
Die nach Oktober weltweit einsetzende Energiekrise und die nachfolgende Konjunkturabschwächung in den westlichen Industriestaaten haben direkte Auswirkungen auch auf Polen, das einen starken Rückgang seiner Exporte in den Westen hinnehmen muß. Die Wirtschaftskrise wird verschärft durch eine zunehmend schlechtere Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln.
1974
Unterzeichnung eines zehnjährigen Abkommens über wirtschaftliche, industrielle und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen.
7.7.1975
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am 7. Juli, daß der Warschauer Vertrag von 1970 kein Ersatz für eine erst in einem Friedensvertrag zu schließende endgültige Grenzvereinbarung zwischen Polen und Deutschland sei.
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