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Deutsche & Polen

Die Oder-Neiße-Grenze und die Bundesrepublik

Heinrich-August Winkler
Biografie

Alle politischen Parteien der Bundesrepublik haben bis etwa Mitte der 60er Jahre eine Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze abgelehnt und den deutschen Rechtsstandpunkt betont, wonach erst in einem Friedensvertrag die endgültige Grenze festgelegt werden könne. Natürlich wussten Politiker aller Parteien, dass die Ostgebiete nicht an Deutschland zurückgegeben werden würden. Aber es gab Millionen von Wählern, die aus diesen Gebieten stammten. Und es gab andere Heimatvertriebene unter den Wählern in der Bundesrepublik. Auf die nahmen alle Rücksicht. Auch die Sozialdemokraten haben noch 1964 in Karlsruhe unter einem Plakat, unter einer Karte getagt, die Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigte. Erst in den Jahren danach hat Willy Brandt immer deutlicher gesagt: Ja, wir müssen einen Modus finden, wir werden ihn finden. Wir müssen deutlich machen, dass die Grenzfrage nur nach vorne offen ist, dass wir Polens Interesse anerkennen - in gesicherten Grenzen zu leben. Das hat er bereits als Außenminister der großen Koalition unter dem Bundeskanzler Georg Kiesinger von der CDU ausgesprochen. Darüber gab es einen gewissen Streit in der Koalition. Aber Brandt hielt an dieser Linie fest. Als Bundeskanzler hat er das getan, was für einen deutschen Bundeskanzler möglich war. Er hat die deutsch-polnische Grenze in dem Umfang anerkannt, der völkerrechtlich vertretbar war aus deutscher Sicht. Es wurde mit den Westalliierten und mit Polen im Vorhinein geklärt. Das war wohl das Optimum dessen, was an Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu dieser Zeit möglich war. Alle Einsichtigen wussten: In einem etwaigen Friedensvertrag würde diese Grenze bestätigt werden.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Heinrich-August Winkler, Historiker, Humboldt-Universität Berlin"
ORB, 2002

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