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Deutsche & Polen

Der Weg in das Konzentrationslager Stutthof

Leon Leondzin
Biografie

ch hatte den Befehl bekommen, mich in meinem Polizeirevier zu melden - weil ich aus Polen kam. Und das habe ich getan. Meine Mutter hat mich begleitet. Für alle Fälle hat sie mir einen Herbstmantel mitgegeben und zwei Schokoladentafeln in die Tasche gesteckt. Sie rechnete damit, dass auch nicht nach Hause zurückkomme. Sie stand unten, ich ging nach oben. Ich wusste nicht, wo ich mich melden sollte. Ich fand die Tür des Amtsleiters und dachte - gehst du erst mal zu dem rein. “Was möchten Sie?“ “Ich soll mich hier melden.“ “Wieso sollen Sie sich melden?“ “Am 1. September war ich nicht hier und am Grenzpunkt hat man mich informiert, dass ich mich melden soll.“ “Sind Sie vielleicht ein Pole, was?“ “Natürlich!“ “Was? So ein gemeiner Hund, der sagt noch 'natürlich' “! Dann war's aus. Ich ging in ein anderes Zimmer, wo ich notiert wurde, wurde hinter eine Barriere gestellt und sollte abgeführt werden ins Polizeigefängnis - das habe ich später erfahren. Sonderbar war, dass ich gefragt wurde: “Wo waren Sie am Anfang des Krieges?“ Ich sagte: “In Bydgoszcz.“ “Zeig mal deine Fingernägel, hast wohl noch Blut von den Volksdeutschen an den Fingernägeln?“ Ich dachte: Was wollen die, was wollen die von mir? Aber das war wohl mehr Scherz als Anklage. Ich denke, das war damals noch nicht zu hochgespielt, wie es später der Fall war. Ich sollte dann mit einem Polizeiwagen ins Polizeigefängnis gefahren werden. Aber dieser Wagen war ständig besetzt. Ein älterer Polizist bekam den Befehl mich abzuführen. Er sagte zu mir: “Ich weiß, wer Sie sind. Ich werde Ihnen die Handschellen nicht anlegen. Gehen Sie ein paar Schritte vor mir, aber probieren Sie, um Gottes Willen, nicht davon zu laufen. Sonst muss ich leider schießen.“ So kam ich ins Polizeigefängnis, war einige Zeit dort. Ich wurde nur einmal verhört, nicht gefoltert. In meiner Zelle befanden sich zwanzig Personen in zehn Betten. Viele kamen vom Verhör blutig geschlagen zurück. Nicht nur Polen, auch Deutsche. Es waren deutsche Seeleute. Warum sie dort waren, weiß ich nicht. Letzen Endes landete ich in Stutthof.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Leon Leonzin, Danziger Pole"
ORB, 2002

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