Zitat

Deutsche & Polen

Zusammenleben und Umsiedlung

Hildegard Kittel
Biografie

Wir drei Mädchen haben uns sprachlich ein bisschen mit ihnen ausgetauscht. Die Dinge des einfachen Lebens, was Kuh, Milch und Butter, Zimmer, Bruder, Schwester heißt, Namen... Das konnten wir dann. Aber richtig unterhalten konnten wir uns nie. Wir haben uns nie richtig unterhalten, auch unsere Eltern nicht. Wir konnten kein Wort Polnisch, wir haben kein Polnisch gelernt, wir konnten nur Brocken. Im Haus haben wir uns eigentlich ganz gut verstanden. Bis auf das eine Mal, als sie sich hauen wollten, haben wir gut zusammengelebt. Die Matka war seelensgut, das war ein guter Mensch. Man muss auch bedenken: Die Polen kamen selbst von der Flucht. Sie sind vom Bug gekommen und hatten das erlebt, was wir noch vor uns hatten, diesen Rauswurf. Die Polen, die bei uns waren, hatten - das hatte ich so im Gefühl - ein bisschen Mitleid mit uns. Dann hieß es: Es geht los! Unsere Familie war gleich beim ersten Treck dabei, weil die Polen unser Haus brauchten. Sie brauchten auch den Rest der Zimmer, sie wollten uns nicht mehr haben. Wir standen gleich auf der ersten Liste. Wir wurden nie gefragt, ob wir dableiben wollen. Es ging einfach los. Es war nicht so, dass wir hätten bleiben können, dass wir einen polnischen Namen annehmen konnten und dableiben konnten. Das war nicht. Wir mussten raus. Unser Pole hat sich angeboten, uns mit dem Panjewagen zu fahren. Wir hatten nichts mehr, die Kühe hatten sie uns weggenommen. Das, was wir noch mitnehmen konnten, packte meine Mama zusammen und das luden wir auf den Panjewagen. Und er hat uns bis zum Bahnhof nach Breslau gefahren.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Hildegard Kittel, Vertriebene"
ORB, 2002

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