Dieser Aufstand, Ghettoaufstand, weit in der Welt bekannt, hatte natürlich primär moralische Bedeutung. Denn die Front war noch an der Wolga. Erst im Februar wurde Paulus' 6. deutsche Armee besiegt bei Stalingrad. Welche Entfernung war das noch bis Warschau! Ohne Hilfe von außen, ohne konkrete große Hilfe von außen, war es nicht möglich Tausende von Leuten zu retten in einem besetzten Land, wo es starke Garnisonen der deutschen NS-Polizei und anderer Truppen gab. Man konnte nur einzelne, einige Dutzend Menschen retten, aber nicht Tausende. Das war nicht möglich, rein logisch gesehen. Die Juden, die jungen Juden, die jüngste Generation hat den Aufsstand organisiert. Alle Organisatoren waren unter 30. All diese Leute waren, psychologsch, menschlich gesehen, Helden. Natürlich waren sie Helden: Sie wollten würdig sterben und Widerstand leisten, aber nicht das Volk retten. Das Volk, die Überreste des Volkes, das waren beim Aufstand im Ghetto nicht mehr als 60 000 Leute. Die anderen, über 400 000, waren schon 1942 umgebracht worden. Überwiegend in Treblinka, in Majdanek auch, einige in Auschwitz. Der Ghettoaufstand war eine Herausforderung moralischer Art für die Menschheit. Für wen? Nicht für die Polen, die waren ohnmächtig. Für die Engländer, für die Amerikaner, für die Alliierten sollte es ein Signal, ein Zeichen sein. Umsonst. Man hat nichts gemacht in der freien Welt, man hat sich beschränkt auf Proteste der Medien, der Gewerkschaften, der sozialdemokratisch gesinnten Labour-Anhänger in England. In Amerika hat man uns fast verschwiegen. Roosevelt wollte den Widerstand in Europa überhaupt nicht aufwerten. Er hatte andere Pläne, wollte den Krieg beschleunigen, also das Endergebnis bekommen. Das weiß man jetzt... leider. Im moralischen Sinne war das eine Tat, wie die Massada-Verteidigung in der alten Geschichte der Juden. Im politischen und militärischen Sinne hatte es natürlich kaum Bedeutung.